„Ich hätte mich damals gefreut“ oder 3 Fallen der Mitarbeiter-Motivation

von Volker Rau | Jan. 2017

Strategieumsetzung Führung Selbstführung Motivation

Letzens fragte mich der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens bei einer privaten Veranstaltung: „Sag mal, wie motiviere ich eigentlich meine Leute, die es bei mir wirklich gut haben und trotzdem eher ‚Job nach Vorschrift‘ machen? Die können doch froh sein, so angenehme Rahmenbedingungen bei mir zu haben: marktübliches Gehalt, viele Freiheiten im Job, nettes Bürogebäude mit schöner Inneneinrichtung sowie Obstschalen, Kaffee und Wasser für umsonst … Ich würde mich als Mitarbeiter freuen, unter solchen Rahmenbedingungen arbeiten zu können, hätte Gas gegeben und nicht erst einmal nur gefordert und alles für selbstverständlich gehalten.“

Nun war das bei ein paar Bieren und leckerem Essen schwer aufzulösen (und so wirklich wollte das auch keiner an diesem Abend). Aber Anlass genug, um auf folgende drei Fallen hinzuweisen, in die Führungskräfte auf allen Hierarchieebenen bei der Strategieumsetzung und Mitarbeiterführung unabsichtlich immer wieder hineintappen:

 

Hadern Sie nicht mit dem Mitarbeiter. Wenn es sein muss, zeigen Sie aber Grenzen auf.

 

1. FALLE: HYGIENEFAKTOREN MOTIVIEREN NICHT

Nach der Motivation-Hygiene-Theorie von Frederick Herzberg gibt es beim Thema Mitarbeiter-Motivation zwei Faktoren, die man als Vorgesetzter unterscheiden sollte. Einerseits die „Motivatoren“, die auf den Inhalt der Arbeit bezogen sind wie Arbeitsleistung und Erfolg, Anerkennung, Arbeitsinhalte, Verantwortung, Aufstieg und Beförderung sowie persönliches Wachstum. Andererseits die „Hygienefaktoren“, die die Rahmenbedingungen der Arbeit berücksichtigen wie Entlohnung und Gehalt, Personalpolitik, Führungsstil, Arbeitsbedingungen einschließlich Autonomie und Unterstützung, zwischenmenschliche Beziehungen zu Mitarbeitern und Vorgesetzten, Sicherheit der Arbeitsstelle sowie Einfluss auf das Privatleben.

Dabei ist das Interessante bei dieser Theorie und für den oben genannten Inhaber, dass die Erfüllung der Hygienefaktoren beim Mitarbeiter nur dazu führen, dass er NICHT UNzufrieden ist. Aber eben nicht zufrieden oder gar motiviert! Bei tollen Rahmenbedingungen kann es also sein, dass der Mitarbeiter denkt „Das ist ja wohl das Mindeste. Wir sind hier jetzt bei +-0, mehr aber auch nicht“.

Da hilft es auch nicht, wenn man selber denkt „Ich hätte mich damals gefreut“ oder „Die wissen gar nicht, wie es in anderen Unternehmen aussieht“. Denn es geht um den Anderen und nicht um Sie. Und um diese Firma, keine andere.

Was also tun?

  • Als allererstes: Hadern sie nicht, dass der Mitarbeiter Ihnen die aus Ihrer Sicht tollen Rahmenbedingungen nicht durch motivierten Einsatz dankt. Lassen Sie los. Es gibt auch genügend Mitarbeiter, die das zu schätzen wissen, aber die bringen es meist nicht zur Sprache. Wenn Sie Pech haben und einmal die „Goodies“ wie bspw. frei zur Verfügung gestellte Getränke minimieren oder gar abschaffen, kann es sogar sein, dass es ein riesen Geschrei gibt. Der Mitarbeiter sieht nur, dass ihm auf einmal etwas weggenommen wird. „Ein Unding!“ Man hätte doch auch eine Art Gewohnheitsrecht. „Wahrscheinlich geht es jetzt mit der Firma bergab.“ Der Inhaber sei ja im Grunde ein Sklaventreiber und das Unternehmen sicher bald pleite …
  • Weisen Sie der Person keine negativen Zuschreibungen zu wie „Undankbare Nervensäge“, „Selbstoptimierer“, „Schmarotzer“, „Der mit den ausgeprägten Nehmerqualitäten“ usw.. Glauben Sie mir, ich könnte Sie verstehen, da ich das eine oder andere Mal in ähnlicher Situation war. Es hilft nur nichts. Wenn Sie so etwas denken, dann spiegelt sich das auch ein Stück weit in Ihrem Verhalten. Und das bekommt der Mitarbeiter mit. Dann können Sie sich von der Hoffnung des motivierten Mitarbeiters direkt verabschieden. Und laut aussprechen sollten Sie es sowieso nicht, denn dann haben Sie noch ein ganz anderes Problem.
  • Zeigen sie aber auch Grenzen auf, wenn Ihnen das zu bunt wird. Es ist Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung, die sie führen. Sie sind der Kapitän auf dem Schiff. Punkt. Aus. Sagen Sie so etwas wie „Klar, kann ich von Dir nicht einfordern, dass Du bei den Rahmenbedingungen vor Freude in die Luft springst. Ich würde mich aber darüber freuen, wenn Du es sehen und anerkennen würdest.“ Und dann warten Sie ab. Man kann nicht an dem Gras ziehen, damit es schneller wächst. Wenn der Mitarbeiter sich weiter beklagt mit der Gefahr, dass er Kollegen anstecken würde, sagen Sie „Das eine ist, dass Dich die Rahmenbedingungen nicht dazu veranlassen, mehr Gas zu geben. OK. Wenn Du aber in der Art und Weise darüber klagst und jammerst und sich das auf die Arbeitsatmosphäre und Leistung im Team auswirkt, dann führen wir beide demnächst ein Gespräch unter Vier-Augen.“
  • Schauen Sie auf die oben genannten „Motivatoren“. Überprüfen Sie, ob Sie an der einen oder anderen Stelle dem Mitarbeiter etwas anbieten können. Ganz verrückt für manche Chefs: auch mal loben, Leistung anerkennen. Das muss kein stundenlanges Gespräch mit Trompeten und Krönungszeremonie sein. Da reicht häufig genug ein Satz auf dem Flur, ein Schulterklopfen, ein „Dankeschön“ oder „Gut gemacht“. Probieren Sie es aus. Ist billiger als jede Gehaltserhöhung oder ein Seminar zur Mitarbeitermotivation.

 

Schaffen Sie motivierende Rahmenbedingungen.

 

2. FALLE: MITARBEITER SIND KEINE UNTERNEHMER

Häufig bekomme ich mit, dass sich Vorgesetzte „unternehmerisches Denken und Handeln“ von ihren Mitarbeitern wünschen. Die Denke kann ich schon nachvollziehen. Für mich passt aber „unternehmerisch“ nicht. Denn der Mitarbeiter ist eben NICHT Unternehmer, sondern Mitarbeiter. Wäre es sein Unternehmen, würde er sicherlich an manchen Stellen mehr Gas geben. So aber ist ihm nichts vorzuwerfen, wenn er „Dienst nach Vorschrift“ macht. Denn das ist der Deal. Definiertes Geld gegen definierte Leistung.

Was also tun?

  • Fordern Sie ein eigenständiges Denken und Handeln ein. Informieren Sie die Mitarbeiter, dass Sie sich das wünschen. Und auch erlauben. Denn es gibt immer welche, die denken „Darf ich überhaupt etwas vorschlagen?“ oder „Ist es zu forsch?“ oder „Sieht das nach Strebertum aus?“
  • Schaffen Sie die notwendigen Rahmenbedingungen für eigenständiges Arbeiten wie bspw. genügend Zeit, ausreichende Informationen oder Austauchmöglichkeiten mit Ihnen oder den Kollegen.

 

Es geht nicht um richtig oder falsch - es ist nur anders.

 

3. FALLE: WAS FÜRHER “COMMON SENSE” WAR, KANN HEUTE GANZ ANDERS SEIN

Ich hatte beim Hockey als 16jähriger folgende Rolle, als ich an die Mannschaft der 1. Herren herangeführt wurde: Vollgas geben im Training, Klappe halten, dankbar sein, Isostar-Eimer bei Punktspielen füllen, herumtragen und den Spielern daraus Getränke reichen. Das war OK für mich. So war es eben. Ich hatte meinen Platz. Heutzutage kommen die Youngsters mit großem Selbstbewusstsein auf den Platz und sagen „Sollen die mir doch erst mal zeigen, dass es sich für mich lohnt, so viel Zeit und Energie zu investieren.“ Und so kann es auch im Job sein. Gehaltserhöhung und Beförderung reichen bei der viel bemühten Generation X, Y oder Z nicht mehr als Motivatoren bzw. ziehen von Anfang an nicht. Es kann auf andere Dinge ankommen wie Weiterbildung, wenig oder keine Überstunden, Homeoffice oder die Chance auf ein Sabbatical.

Was also tun?

  • Lösen Sie für sich folgenden Denkfehler auf: Es geht nicht um „Richtig“ oder „Falsch“, und dass Sie versuchen, dies dem „falschen“ Mitarbeiter in stundenlangen, intensiven Gesprächen zur erklären. Denn wenn mir einer erklärt, ich sei falsch, fühlt sich das nicht wirklich toll an. Es geht darum, dass es anders ist. ANDERS – mit anderen Wertvorstellungen - nicht falsch!
  • Gehen Sie mit dem Mitarbeiter in den Austausch darüber, wie man die Zusammenarbeit gestalten könnte (da, wo verhandelbar), was ihn motivieren würde. REDEN Sie also mit ihm. Und zwar auf Augenhöhe. SIE wollen etwas von ihm: mehr Einsatz in der normalen Zeit, Überstunden oder vielleicht mehr Flexibilität.

 

Zum Schluss ein Kalenderspruch: „Wenn die Führungskraft nicht führt, arbeitet der Mitarbeiter auch nicht mit.“ Und was unter Führung und Mitarbeit damals und heute verstanden wird, muss man manchmal im gemeinsamen Gespräch erst einmal klären.

Viel Erfolg und beste Grüße, Volker Rau

 

(Bildquelle: 123rf.com** / bswei / 41511131)

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