Selbstführung? Zu anstrengend. Lieber ausbrennen und Umsatz verlieren.

von Volker Rau | Feb. 2017

Selbstführung Führung Burnout Motivation Unternehmenskultur

Es ist ja so verführerisch, sich selber auszubeuten. Da gibt es so viele Dinge, die im Job erledigt werden wollen. Man befolgt das informelle Gesetz „Wer zuerst zuckt, verliert!“ und bleibt bis spät abends im Büro auf den ganzen selbst herangeholten und zugeschobenen Arbeitspaketen sitzen. Man ist ständig über Handy erreichbar, hat das Büro immer per Laptop dabei. Man kann immer und zu jeder Zeit etwas erarbeiten und das Ergebnis via Internet teilen. Und ist man gerade fertig - und es ist mal wieder drei Uhr nachts - na, dann wacht ja gerade das Ausland auf und bombardiert einen mit neuen Anfragen. Immer her damit!

Wer zuerst nachhause geht, der hat verloren - ätsch!

Konsequenterweise lässt man sich dann auch im Privatleben – wenn für so einen Schnickschnack überhaupt noch Zeit ist – ähnlich stark durch äußere Reize (ab)lenken und damit fremdführen. Man kann ja so viel machen! Im Ernst: zuhause hocken und mal einen „Termin“ mit sich selbst machen ist doch langweilig und spießig. Man wäre dann ja auch nichts wert im Vergleich mit den hippen Anderen (wer sind eigentlich „die Anderen“, kenne ich da einen und ist der zufriedener, na, ist ja auch egal). Also ab zum Ausdauer-Sport, danach noch zum Yoga-Kurs (schnell, schnell entspannen)…. und weiter zur Galerie-Eröffnung oder ins Kino. Auf dem Weg dahin dann kurz noch einen Freund anrufen und sich zeitgleich einen Coffee to Go mitsamt einer Pizza einverleiben. Und der Partner? Oh, ganz vergessen …

 

1. DIE SITUATION

Das Außen

Es gibt stress-steigernde Faktoren soweit das Auge reicht. Im Zeitalter der Globalisierung und Flexibilisierung erleben wir permanente Informationsbeschleunigung, Verknappung der Ressourcen, Zunahme der Veränderungsdynamik, kontinuierliche Leistungssteigerung und Abnahme der sozialen Kontaktzeiten. Häufig genug gibt es ein Umfeld, das einem wenig Orientierung und Wertschätzung gibt. Zudem wird an uns in der Öffentlichkeit ein riesiges Angebot herangetragen, bei dem wir für ein „Ja“ 50 Mal „Nein“ sagen müssen. Der Druck, sich ständig zu optimieren und etwas leisten zu müssen, und der damit einhergehende Stressaufbau sind allgegenwärtig.

Das Innen

Sich dauernd aufgrund von äußeren Impulsen positionieren zu müssen, zu priorisieren, zu entscheiden und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen ist… anstrengend! Sich treiben zu lassen erst einmal einfacher. Und die selbstkritische Überprüfung des eigenen übertriebenen Leistungsanspruchs ist auch nicht gerade sehr lustvoll. Man brennt ja schließlich für etwas (aber vielleicht zu lange?)! Zudem gibt es ja auch Vorteile: Abwechslung durch die angebotene Vielfältigkeit, interessante, zu innerem Wachstum führende Projekte, Übernahme von Verantwortung oder das Gefühl gebraucht zu werden.

Die Folge

Stress. Dabei kann sich der eigene Stressspeicher mit der Zeit so weit auffüllen, dass es zu einem Burnout kommt. Kennzeichnend dafür eine starke körperliche und geistige Erschöpfung, ein Gefühl der Sinnlosigkeit und Ineffektivität sowie Negativismus und Zynismus gegenüber sich selbst, seinen Mitmenschen und der eigenen Arbeit.

Ausgepowerte Mitarbeiter werden immer ineffizienter - die Lichter im Haus sind an, aber keiner ist zuhause.

Im weiteren Verlauf kann sich der Burnout von einer Erschöpfungsdepression hin zu einer ausgewachsenen Depression entwickeln. Bekannte Beispiele aus der Öffentlichkeit sind u.a. Skispringer Sven Hannawald, Fernsehkoch Tim Mälzer, Publizistin Miriam Meckel, Politiker Matthias Platzeck, Fussballprofi Sebastian Deisler und Bestsellerautor Frank Schätzing.

Der Handlungsdruck der Unternehmen wächst: Chronischer Stress fördert chronische Erkrankungen und damit Fehlzeiten. Er führt zu teuren Fehlentscheidungen, zu Leistungsabfall, Konzentrationsschwäche, Unberechenbarkeit, zu Konflikten oder Abschottung. Zudem verhindern Unsicherheit und Furcht, dass gute Einfälle ins Bewusstsein dringen und in Worte gefasst werden können, Stress also Kreativität erschwert oder sogar verhindert … DAS kann sich bei dem heutigen Wettbewerbsdruck kein Unternehmen mehr leisten.

 

2. DAS ZIEL

Erfolgreiche Führungskräfte setzen proaktiv, eigenverantwortlich und motiviert die an sie gestellten Anforderungen im Unternehmen um. Der eigene Vorgesetzte und interne sowie externe Kunden sind Adressaten wie auch Nutznießer des eigenständigen Denkens und Handelns. Dabei gehen diese Führungskräfte zielorientiert mit den vorhandenen persönlichen wie auch mit den durch die Organisation immer enger gesteckten Ressourcen um. Sie führen ihren „inneren Mitarbeiter“, sie führen sich selbst. Daraus resultieren inneres Wachstum, Selbstzufriedenheit, Stressresistenz, Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative und Freude am Tun.

 

3. DER WEG ZUM ZIEL

Das Außen / das Unternehmen

Unternehmen können den Kontext, in dem die Beschäftigten eigenverantwortlich ihren Job machen sollen, optimieren durch bspw.

  • Priorisieren der Ziele
  • konsequente Kommunikation von relevanten(!) Informationen,
  • ein gemeinsames Führungsverständnis,
  • ein faires und transparentes Beurteilungssystem,
  • ein Weiterbildungs-/Coachingangebot zur Verbesserung der Selbstführung sowie
  • neue Schichtpläne, Pausengestaltung oder gesündere Arbeitsplätze.

Die Investition von einem Euro zahlt sich nach drei Jahren mit mindestens 1,80 Euro aus

Der Erfolg solcher Maßnahmen ist schon lange wissenschaftlich erwiesen: „Die Investition von einem Euro zahlt sich nach drei Jahren mit mindestens 1,80 Euro aus“, weiß Professor Michael Kastner, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM) in Herdecke. Im Mittelstand liegt die Quote oftmals noch viel höher. „In vielen Unternehmen rechnet sich ein investierter Euro mit zehn eingesparten Euro durch verminderte Fehlzeiten und höhere Produktivität“, analysiert Heinz Kowalski, Direktor des BGF-Instituts in Köln.

Das Innen / die Führungskraft

Die Selbstführung steht im Vordergrund. Die Verantwortung, die eigene Belastungsgrenze zu erkennen und nicht zu überschreiten, ist nicht delegierbar! Führungskräfte führen sich selbst und damit ihre Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte sowie das Unternehmen besser, wenn sie bspw.

  • häufiger Pausen einlegen und entschleunigen,
  • den Kontakt zu sich selbst wieder gewinnen/vermehren/vertiefen,
  • das eigene Wertesystem kennen und den inneren Leistungsanspruch selbstkritisch überprüfen oder
  • besser auf Grenzen hinweisen bzw. setzen können.

Hierdurch erlangen Führungskräfte mehr innere Klarheit und damit Handlungsklarheit nach außen. Sie gehen entschlossener den Weg zum Ziel – und es geht ihnen dabei gut.

Aber nur das Zusammenspiel von Innen und Außen, von Unternehmen und Mitarbeiter, führt zum Erfolg – für beide.

(Bildnachweis: 123rf.com/sjenner13/13867119)

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