Mehr Freiraum für Kreativität? Brauchen die nicht, oder?!

von Volker Rau | Sep. 2018

Führung Freiräume Kreativität Zufriedenheit Leistungsdruck

Die Tochter eines Kunden ist nun in therapeutischer Behandlung. Keine Bange, es ist nichts Ernstes. Keine Depression oder so. Sie hat nur eine Gesprächstherapie begonnen, um den Leistungsdruck am Gymnasium (besser) aushalten zu können. Sie macht nächstes Jahr Abitur und gehört zu den G8-Kandidaten. Acht Jahre - von der fünften Klasse bis zum Abi. Das bedeutet für sie spätestens ab der Oberstufe sehr viel Lernen, wirklich sehr sehr viel. Eigentlich zeichnet sie gern und löst Aufgaben auch mal über andere Wege. Dafür hat sie nun kaum Zeit. Und irgendwie geht es ihr nicht richtig gut, irgendetwas fehlt. Der Sinn am betriebenen Aufwand ist (etwas) abhandengekommen. Mmh! Vielleicht ist es doch was Ernstes.

Kennen Sie das? Man hat das Gefühl, dass es immer weniger Freiräume gibt für kreative Ideen, für’ s Ausprobieren. Sich Themen auch mal anders zu eigen zu machen. Weder in der Schule für die Kinder noch im beruflichen Umfeld für Mitarbeiter und Führungskräfte. Schule und Beruf laufen hochtourig und zielstrebig in eine Richtung, der Weg ist vorgegeben. Effizienz-Optimierung als Mantra unserer Gesellschaft. Abweichungen sind nicht vorgesehen (oder werden mal mehr mal weniger subtil vom Umfeld bestraft). Für die Kleinen ist es die Vorbereitung auf den Schulabschluss, für die Großen ist es Gewinnmaximierung durch den optimalen Einsatz ihrer Arbeitskraft.

Nun ist das Bildungsministerium aufgrund des Widerstands der Eltern mit G8 gescheitert. Haben die Eltern erkannt, dass der Schwerpunkt des Lernens zu sehr auf Zahlen, Daten und Fakten gesetzt wird? Die Tochter meines Kunden gehört zu den Schülern, die da noch durchmüssen. Denn was ist für junge Erwachsene heutzutage schon beruflich möglich ohne Abitur in der Tasche? In der Zeitung stand, dass immer mehr Eltern für ihre Kinder das Abitur anstreben. Stimmt! Aber der Anspruch „Abitur für mein Kind“ ist nicht allein die Idee der Eltern. Anders ist es nicht zu erklären, dass beispielsweise die Kölner Uniklinik als Zugangsvoraussetzung für die Krankenschwestern-Ausbildung das Abitur verlangt. Fachhochschulreife für einen Pflegeberuf? Auch das ist Teil der neuen Entwicklung: Immer mehr Ausbildungsbetriebe verlangen höhere Schulabschlüsse von ihren Azubis. Ist das sinnvoll? Und was macht das mit Schülern und jungen Erwachsenen? Der Stundenplan ist voll und der Zeitdruck immens - für Schüler und auch Lehrer, um all den Stoff für das Zentralabitur bis zur zwölften Klasse durchzuprügeln. Ja – förmlich prügeln. Denn die meisten Schüler sind weder blöd noch faul.

Wenn der Stundenplan oder der Arbeitstag gefüllt ist mit rein kognitiven Aufgaben, da bleibt wenig Raum für Ausprobieren und über den Tellerrand schauen. Bei Kindern können bspw. auf dem Barfußpfad im Wald die Sinne geschärft und der Gruppenzusammenhalt gestärkt, im Hochseilgarten Grenzen ausgetestet und das Selbstbewusstsein ausgebaut werden. Oder ab in ein Kunstmuseum, um zu erfahren: „Wie mache ich Musik passend zu dem Inhalt eines Bildes?“

Sicher können Sie nun sagen: „Wer braucht das schon? Das ist Nonsens im Hinblick auf den weiteren beruflichen Werdegang.“ Wobei vergessen wird (oder verdrängt, weil man sich dann ja anders verhalten müsste): Diese Erfahrungen schulen nicht nur die eigene Meinung eines Menschen, auch die Persönlichkeit wird ausgebildet. Und das Gefühl für die eigenen Fähigkeiten gestärkt. Kreatives Ausprobieren und Selbsterfahrung bilden zudem die Grundlage, um das zuvor theoretisch erlernte zu festigen und zu verinnerlichen. Die Problemlösekompetenz sowie das vernetzte und ganzheitliche Denken werden ausgebaut. Wir machen Lebenserfahrungen, die uns auch bei anderen Dingen helfen können. Nichts anderes passiert später im Berufsleben. Der Umgang beispielsweise mit einem Grafikprogramm erfolgt zunächst in einem Seminar, aber erst das eigenständige Ausprobieren und kreative Tüfteln hilft dabei, später in der Praxis das zuvor gelernte zu verinnerlichen. Oder das Erstellen von Projektplänen am „grünen Tisch“ ist das Eine, das Andere aber der Umgang mit Hürden, Abweichungen und Widerständen der Stakeholder bei der Umsetzung. Das ist häufig Steuern auf Sicht. Da muss man kurzfristig auf ein Bündel von Kompetenzen zurückgreifen können. Und die dabei evtl. gemachten Fehler und Erfahrungen zahlen wieder auf die Planungs- und Umsetzungskompetenz für das nächste Projekt ein.

Unternehmen und Schulen sollten gemäß der strategischen Zielsetzung angemessen viel Raum und Zeit für Mitarbeiter bzw. Kinder schaffen. Sie sollten sich nicht vom kurzfristigen Erfolg verführen oder unter Druck setzen lassen, wenn es um mittel(!)- und lang(!)fristige Zielerreichung geht. Hier zeigt sich, wer in der Politik, wer von den Lehrern, CEOs und all den Führungskräften seine „Untergebenen“ ernst nimmt, Mumm hat, standhaft bleibt und nachhaltig entwickelt. Denn wer zu sehr als Kontrolletti auftritt, sagt eigentlich: „Ich vertraue Dir nicht wirklich.“ Wenn der Rahmen für kreative Ideen und Lösungsvorschlage gegeben wird – für deren Erarbeitung es eben auch Zeit braucht - wirkt sich die daraus entstandene Motivation auch auf die Leistung aus. Weniger Fehltage, mehr Produktivität und Qualität resultieren ebenso daraus.

Und wenn wir erkennen, dass jeder für seine persönliche und berufliche Entfaltung (und zum Nutzen des Unternehmens) den für die Aufgabe notwendigen Raum haben sollte, dann läuft´s beim Mitarbeiter genauso wie bei der Tochter des Kunden mit dem Abi! Vielleicht nicht mit „summa cum laude“ oder hohem ROI - aber wer weiß, vielleicht auch doch und gerade deswegen. Wenn man Luft lässt, um beim Denken auch mal die Richtung zu ändern.

In diesem Sinne: Wenn etwas für Sie dabei war, dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung, viel Erfolg im entscheidenden Moment.

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(Bildquelle: 123rf.com / alphaspirit / 20382768)

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