Brexit, Exit, Eiertanz – wenn Entscheidungen schwerfallen

von Volker Rau | Feb. 2019

Entscheidungsfindung Ziellosigkeit Zieldefinition Entscheidung

Kennen Sie das? Es gibt einen Fixtermin, an dem alles fertig sein muss, an dem Ergebnisse präsentiert werden, die auch für andere relevant sind. Der Termin ist schon seit geraumer Zeit bekannt. Die notwendigen, wichtigen Entscheidungen werden aber nicht getroffen. Man hadert mit sich und den anderen, kommt keinen Meter voran. Die Außenwirkung: unprofessionell, kindisch, egozentrisch… Dieses Problem hat derzeit die britische Regierung. Theresa May wird mit Änderungswünschen des Parlaments nach Brüssel geschickt. Änderungswünsche an dem Abkommen, das längst beschlossen wurde. Die europäischen Länder lehnen Nachbesserungen an den Beschlüssen ab. Also kehrt May unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück. Großbritannien steckt in einer Sackgasse. Im Unterhaus gibt es keine Mehrheit für das Brexit-Abkommen. Europa scheint in einer Schockstarre zu verharren. Was, wenn es einen No-Deal-Brexit geben sollte? Ein Austritt aus der EU ohne ein Abkommen. Wie kommt es zu der Entscheidungsunwilligkeit? Und liegt es wirklich nur an den Briten?

Mein Sohn fragt mich arglos: Wo liegt denn das Problem? Warum entscheiden die nicht endlich? Müssen wir doch auch beim Mannschaften-Wählen auf dem Pausenhof, wenn wir Fußball spielen wollen … Ja, warum eigentlich? Es stellt sich allmählich die Frage: Wer benimmt sich kindischer? Diejenigen, die sich nicht entscheiden können oder diejenigen, die nicht nachgeben. 

Aus Sicht eines Coachs betrachtet, sieht das Ganze ganz nüchtern so aus: Ein Problem ist der Ausdruck für die Schwierigkeit, einen unbefriedigenden Ist-Zustand in einen besseren Zustand, einen zufriedenstellenden Soll-Zustand zu überführen. Zum Problembewusstsein gehört auch eine ”positive” Einstellung gegenüber Problemen. Probleme sollten demnach nicht als etwas Schlechtes, sondern vielmehr als Möglichkeit gesehen werden, aus bestimmten Situationen zu lernen, als eine Chance zur Verbesserung. Oder zumindest als neutrale Situationsbeschreibung.

Hat man ein Problem erkannt und will es lösen, sollte man zunächst einmal versuchen, Klarheit über den ”Typ” des Problems gewinnen. Die Unterscheidung verschiedener Problemtypen ist sehr hilfreich für die Auswahl der geeigneten Vorgehensweise. Der Psychologe Dietrich Dörner hat eine Unterscheidung von drei Typen von Problemen vorgenommen:

Bei einem Problem der Ziellosigkeit weiß man gar nicht genau, was man eigentlich will. Man weiß nur, dass die bestehende Situation verändert werden muss. Über das mögliche Ziel und über Maßnahmen, die vom Ausgangspunkt zum Ziel führen könnten, ist dagegen nichts oder nur sehr wenig bekannt.

Bei einem Problem der fehlenden Lösungswege stellt die Unkenntnis über mögliche Lösungswege das eigentliche Problem dar. Man weiß, wo man momentan steht und was man will, jedoch nicht, wie man das Ziel erreichen kann. Es fehlen also Ideen für die richtigen Maßnahmen, die vom Ausgangszustand zum Ziel führen könnten.

Bei einem Problem der Lösungsbewertung weiß man sehr wohl, was man will, und welche Maßnahmen anzuwenden sind, um das Ziel zu erreichen. Allerdings besteht Unsicherheit bezüglich des günstigsten Einsatzes dieser Maßnahmen,  z.B. in welcher Reihenfolge wird was gemacht.

Und manchmal weiß man noch nicht einmal, wo man überhaupt steht, wo also der Ausgangspunkt, wie der IST-Zustand ist.

Wer sich nicht entscheiden kann, hat vielleicht auch Angst vor den Konsequenzen oder es gibt zu viele Optionen, die man wählen kann. Auch die Unsicherheit, die Sorge vor einer möglichen Konsequenz hindert einen davor, ob und wie man sich entscheiden soll. Dazu kommt, dass man nicht nur seine eigene Entscheidung trifft, sondern oftmals auch Wünsche und Erwartungen der anderen Beteiligten berücksichtigen möchte oder muss. Übertragen auf den Brexit: Wenn Großbritannien sich für eine Sache entscheidet, wendet es sich gleichzeitig gegen eine andere. Gefühlt zuweilen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Und/oder es hat das Gefühl zu kurz zu kommen, weil es alles haben will – unangenehm (kennt jedes Kind; gehört aber zur Rubrik „Allmachts-Phantasien“ und die Briten sind ja schon groß 😉). 

Wie nun herangehen an so ein Dilemma (was jeder bei sich kennt, um mal vom Großbritannien-Bashing wegzukommen)? Wenn nun erkannt wurde, wo das Problem bei der Entscheidungsfindung liegt, könnte bspw. ein Coach bei einer Team-Sitzung für eine integrative Entscheidungsfindung unterstützen. Dieser tritt als unabhängige neutrale Person auf, die von außen und mit Abstand auf das Thema guckt, lösungs- und zielorientiert sowie die Zeit im Blick habend moderiert und berät. Folgender Ablauf wäre hilfreich:

  1. Benennung des Problems: Eine neutrale sachliche Darstellung ist wichtig, ohne Diskussionen, Störungen oder Suggestivfragen von Beteiligten; auch was evtl. der Wunsch, das Motiv hinter dem Problem ist.
  2. Reaktionen sammeln: Jeder Teilnehmer darf seine Meinung dazu äußern.
  3. Verbesserungsvorschläge: Die Teilnehmer überdenken ihre spontane Reaktion und suchen nach Lösungen.
  4. Sachliche Gegenstimmen sammeln: Der Coach befragt jeden Teilnehmer, Fragen oder Meinungen bleiben außen vor.
  5. Die Gegenstimmen integrieren, bewerten: Der Coach befragt die Teilnehmer, inwieweit die Gegenstimmen Gewicht haben (also gute Argumente sind, die man berücksichtigen sollte), und ob sie in die Vorschläge integriert werden können oder nicht.
  6. Vereinbarung treffen und visualisieren: Um ein gleiches Verständnis vom Lösungsbild bei allen Beteiligten zu sichern, Orientierung zu geben sowie eine Grundlage für das Erkennen von Abweichungen zu generieren, für das dann optimalerweise bereits ein Vorgehen hinterlegt ist.

 

Wenn’s doch so einfach wäre …

In diesem Sinne: Wenn etwas für Sie dabei war, dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung, viel Erfolg im entscheidenden Moment.

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(Bildquelle: 123rf.com/102908893/Bartolomiej Pietrzyk)*

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