Mikropolitik – Fluch und Segen zugleich

von Volker Rau | Jul. 2019

Mikropolitik ChangeManagement Durchsetzungsvermögen Führung

Kennen Sie das? Wieder hat jemand Sie ausgetrickst und Ihre Präsentation beim CEO bereits im Vorfeld in Frage gestellt – nicht direkt, aber vielleicht durch pointiert gesetzte Zweifel an der Qualität der Datenanalyse, auf der Ihre Argumentation fußt. Und das natürlich nicht in einem Meeting, sondern bei einem Käffchen oder Lunch-Termin mit der Geschäftsführung. Oder Sie wurden bei einem anderen Thema gar nicht über eine wichtige Entscheidung informiert, alle anderen aber schon. Entscheidungen wurden getroffen, ohne dass Sie und Ihr Team mitgestalten konnten. Und jetzt ist es zu spät, Realpolitik wurde bereits betrieben. Aber auch andersherum kennen Sie das vielleicht. Sie haben sich mit Schnittstellen-Bereichen koaliert, um Ihrem Vorschlag mehr Gewicht zu geben, haben Erfolge belohnt oder sich als Sparringspartnern der Geschäftsführung oder Kollegen angeboten – natürlich nur aus altruistischen Motiven …

Als Führungskraft nehmen Sie Einfluss auf das Leistungsverhalten Ihrer Mitarbeiter. Genauso aber sehen Sie sich den Beeinflussungsversuchen von Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten, internen und externen Kunden gegenüber, d.h. Sie stehen immer in einem Spannungsfeld von meist widersprüchlichen Interessen. Dies ist das Führungsdilemma in Ihrer Führungsrolle. Führungskräfte, die im Spannungsfeld der Erwartungen des Managements und der Mitarbeiter stehen, erleben sich daher häufig in einer »Sandwichfunktion«, in der sie keinem gerecht werden können. Insofern sind sie auch ständig „angreifbar“. Beispiel: Das Management erwartet mit Recht eine hohe Aufgabenorientierung im Sinne der Organisation, die Geführten wünschen sich - ebenso legitim - eine hohe Mitarbeiterorientierung und damit Verständnis und Förderung ihrer Eigeninteressen. Gute Führung bedeutet gerade die Fähigkeit, diese Gegensätzlichkeit auszuloten und auszubalancieren.

Um in Ihrer Rolle erfolgreich zu sein (im Sinne des Betriebs) und auch Ihre eigenen legitimen (z.B. Karriere-) Interessen zu verfolgen, bleibt Ihnen wenig anderes übrig, als sich zu positionieren und für Ihre eigenen Interessen Sorge zu tragen. Das verhindert, dass Sie im Spannungsfeld der unterschiedlichen Ansprüche „untergehen“; m.a.W. Sie bleiben handlungsfähiger Gestalter, und erleben sich nicht etwa als „Opfer“ der Situation.

Führen ist ein dynamisches und politisches Geschehen, bei dem es darum geht, angesichts von Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit für die eigene Zielinterpretation Macht zu mobilisieren. Macht ist hier zu verstehen als die: „Fähigkeit, Verhältnisse im eigenen Sinn zu gestalten“. Das „Sich selbst Positionieren“, bei dem Sie sich Partnern (Unterstützern) und auch Opponenten gegenübersehen, wird von unterschiedlichen Führungskräften unterschiedlich gelöst.

Was tut jemand der Mikropolitik betreibt? Betrachtet man ein Unternehmen als politisches System, in dem sich Koalitionen bilden und so lange bestehen, wie sie von- und durch einander profitieren, dann kann eine Vielzahl von Taktiken zum Stärken und/ oder Verteidigen von Positionen beobachtet werden.

Folgende durchaus vorurteilbehaftete Mikropolitische Taktiken können jedoch aus eigener Erfahrung wiedererkannt werden, zum einen indem man sie selbst eingesetzt hat oder mit deren Einsatz konfrontiert worden ist:
  1. Informationskontrolle - z.B. Schönfärberei, Informationsfilterung und –zurückhaltung, Informationen durchsickern lassen, Gerüchte verbreiten usw.
  2. Kontrolle von Verfahren, Regeln, Normen - z.B. Entscheidungsprozeduren kontrollieren/ändern, Präzedenzfälle schaffen usw.
  3. Beziehungen“ nutzen oder stören - z.B. Netzwerke und Bündnisse bilden, unbequeme Gegner isolieren, Loyalität belohnen, intrigieren, herabsetzen, diskreditieren usw.
  4. Selbstdarstellung - z.B. vorteilhafte Selbstdarstellung, demonstratives Imponiergehabe
  5. Situationskontrolle - z.B. Dienst nach Vorschrift, Sabotage, vollendete Tatsachen schaffen, Fakten vertuschen/ verschleiern usw.
  6. Handlungsdruck erzeugen - z.B. emotionalisieren, einschüchtern, schikanieren, Termine kontrollieren
  7. Timing - z.B. verfügbar sein, den richtigen Zeitpunkt nutzen oder abwarten können, Entscheidungen verzögern, Zeitdruck machen usw.
Demgegenüber steht eine positive, scheinbar neutrale Technik der Mikropolitik.
  1. Rationales Vorgehen - z.B. Expertisen aufbauen, systematisch differenziert und belegt argumentieren, fundierte Ausarbeitungen vorlegen usw.
  2. Begeistern - z.B. charismatisch auftreten, durch Visionen und Inspirationen mitreißen, an höhere Werte appellieren
  3. Koalition und Partizipation - z.B. sich mit Gleichgesinnten zusammentun, Mitspracherechte einräumen, eine förderliche Gruppenatmosphäre herstellen und pflegen usw.
  4. Personalisieren - z.B. Vorbilder und Identifikationsfiguren präsentieren, Selbstverpflichtung fordern und ermöglichen, an Ehre, Treue, Verantwortung etc. jedes Einzelnen appellieren usw.
  5. Bestimmtheit - z.B. mit Nachdruck und Selbstsicherheit auftreten, klare Forderungen stellen, die Führungsrolle beanspruchen, Konfrontationen nicht aus dem Weg gehen usw.
  6. Belohnen - z.B. Loben, Vorteile verschaffen, mit Statussymbolen auszeichnen, öffentlich positiv hervorheben usw.
  7. Beraten - z.B. bereitwillig Ratschläge geben/ annehmen, hilfreiche Tipps geben, von eigener Erfahrung profitieren, als Mentor fungieren usw.

Mikropolitisches Verhalten ist in jedem Unternehmen in vielfältigen Situationen zu beobachten, es ist Teil der (inoffiziellen) Unternehmenskultur. Verteufeln, also zu sagen, mikropolitisches Verhalten sei „mies und fies“, greift also zu kurz. Die Frage ist vielmehr, wie Sie als Führungskraft in Ihrer Abteilung damit umgehen, welche Spielregeln dazu vereinbart werden, wie sie eine lebendige Streitkultur etablieren, wie ausgeprägt die Fähigkeiten der Einzelnen sind, Interessen anzumelden und Konflikte auszutragen, inwiefern auch egoistische Positionen bezogen und verteidigt werden dürfen.

Netzwerkmanagement schafft Einfluss: Der Unterschied von guten und brillanten Führungskräften besteht häufig darin, dass letztere über ein gut funktionierendes betriebliches Netzwerk verfügen. Wer ein gutes Netzwerk pflegt, der erledigt wichtige Aufgaben häufig nach dem Motto: „Ein Anruf genügt – und die Sache ist geritzt.“ Fazit: Entwickeln Sie Schlüsselbeziehungen, ein Netzwerk für Ihre Führungsziele!

Checkliste Schlüsselbeziehungen entwickeln
  • Wessen Kooperation werde ich benötigen, um zu erreichen, was ich anstrebe?
  • Welches werden deren Standpunkte sein und was werden sie wohl von meinen Absichten halten?
  • Wer wird meine Anliegen verzögern oder in die falsche Bahn lenken können? Wer wird von dem, was ich anstrebe, betroffen sein, so dass er meine Anliegen zu verhindern sucht?
  • Worin liegt meine Basis für Macht und Einfluss? Wie kann ich diese Basis noch ausbauen, um meine Entscheidung zu unterstützen?
  • Welche Beziehungen muss ich knüpfen, um über die Ereignisse im Unternehmen schnell genug informiert zu sein?

In diesem Sinne: Wenn etwas für Sie dabei war, dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung, viel Erfolg im entscheidenden Moment.

Nehmen Sie gerne mit Volker Rau Kontakt auf, und nutzen Sie unsere Expertise zum Thema.

T: 0221-25071939    M: 0176-80157831    E: vr@keyplay-consulting.com

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(Bildquelle: 123rf.com/S.Gnatiuk/pw8w9p)

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